Rechtskraft

Rechtskraft
Rechtsbegriff für die grundsätzliche Unanfechtbarkeit einer Entscheidung.
I. Zivilprozessordnung:1. Formelle R.: Eine gerichtliche Entscheidung kann nicht mehr durch ein  Rechtsmittel angefochten werden. Die formelle R. tritt ein bei  Urteilen und  Beschlüssen, gegen die kein Rechtsmittel zulässig ist, oder bei Verzicht auf dieses, bei Ablauf der Rechtsmittelfrist, d.h. zulässigem Einspruch oder der  Gehörsrüge nach § 321a ZPO oder Erschöpfung des Instanzenzuges (§705 ZPO).
- 2. Materielle R.: Das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist endgültig geregelt; keine abweichende Entscheidung kann mehr ergehen. Zweck ist die Förderung der Rechtssicherheit und die Wahrung des Rechtsfriedens. Sachlich beschränkt auf den betreffenden Klageanspruch; maßgebend ist die Urteilsformel, ergänzend zur Auslegung die Entscheidungsgründe.
- 3. Ist nur über den Teilbetrag einer Forderung entschieden, wirkt R. nur hinsichtlich des Teilbetrages.
- 4. Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens zwecks Beseitigung der R. besteht nur bei groben Verstößen ( Abänderungsklage).
- 5. In einigen Fällen wird die Wirkung der R. über die Parteien hinaus ausgedehnt (§§ 325–327 ZPO), v.a. nach dem Eintritt der  Rechtshängigkeit auf den Rechts- oder Besitznachfolger der streitbefangenen Forderung oder Sache sowie den Rechtsnachfolger einer Partei, ferner bei Prozessführung für Rechnung eines Dritten für und gegen diesen (z.B. wirkt die R. bei einem vom Insolvenzverwalter geführten Prozess für und gegen den Gemeinschuldner). Die R. eines gegen eine OHG oder KG ergangenen Urteils erstreckt sich auf die einzelnen Gesellschafter; die Feststellung, dass eine Gesellschaftsschuld vorliegt oder nicht, wirkt aber auch gegen die später in Anspruch genommenen Gesellschafter (§§ 129, 161 HGB).
- 6. Beschlüsse sind nur insoweit der R. fähig, als sie Rechtsbeziehungen der Parteien abschließend regeln, z.B. Kostenfestsetzungsbeschluss, Zuschlagsbeschluss im Zwangsversteigerungsverfahren.
II. Strafrecht:1. Die formelle R. erstreckt sich nicht nur auf gerichtliche Entscheidung, sondern z.B. auch auf den von der Verwaltung erlassenen  Bußgeldbescheid.
- 2. Die materielle R. bedeutet, dass der einer formell rechtskräftigen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nicht mehr gegen dieselbe Person zum Gegenstand eines auf ihre Verfolgung gerichteten Verfahrens gemacht werden darf (sog. Strafklageverbrauch). Dieser Grundsatz („ne bis in idem“) hat in Art. 103 III GG Niederschlag gefunden.
- 3. Wiederaufnahme des Verfahrens ist möglich.
III. Verwaltungsgerichtsbarkeit:1. Formelle R. tritt ein, wenn die Frist für die Einlegung eines  Rechtsmittels ungenutzt verstrichen ist bzw. nach Abschluss aller Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
- 2. Materielle R.: An das Urteil sind die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger gebunden, soweit über den  Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 121 VwGO).
IV. Finanzgerichtsbarkeit:1. Formelle R.: Diese tritt ein, wenn ein  Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr gegeben oder die Rechtsmittelfrist ungenutzt verstrichen ist.
- 2. Materielle R.: Rechtskräftige Urteile der Finanzgerichte binden die Beteiligten und deren Rechtsnachfolger insoweit, als über den  Streitgegenstand entschieden worden ist. Im Übrigen bleiben die allgemeinen Vorschriften über die Zurücknahme, Ersetzung oder Änderung von Verfügungen sowie über die Nachforderung von Steuern unberührt (§ 110 FGO).
- 3. Verfügungen der Finanzbehörden:  Verfügung.

Lexikon der Economics. 2013.

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